Die Geschichte der Moorburger Trecker Werke


Karl Ritscher wurde am 19.02.1896 in Hamburg geboren.
Sein Vater Heinrich Wilhelm Ritscher besaß in Hamburg Moorburg eine Werft mit Abwrackbetrieb.
Insgesamt hatte er fünf Söhne und eine Tochter:
Arnold, Karl, Walter, Georg, Herta und Friedrich Wilhelm.

Karl Ritscher lernte zunächst das Schiffszimmerhandwerk in Kiel und Hamburg und besuchte danach
die "Höheren technischen Lehranstalten" in Hamburg.

Zur Verbesserung seiner Englischkenntnisse ging er dann 1914 in die USA.
Aus der geplanten einjährigen Sprachreise ist kriegsbedingt letztlich ein mehrjähriger
Aufenthalt geworden.
Nach Ausbruch des Krieges wurde Karl Ritscher zunächst interniert, bekam 1915 jedoch
die Möglichkeit, an der Universität von Ann Arbor in Michigan ein Schiffbaustudium aufzunehmen.
Das Studium finanzierte er mit Hilfsarbeiten und in den Semesterferien mit Arbeiten auf einer Werft
in Newsport News / Virginia. Als die Werft allerdings anfing Kriegsschiffe zu bauen,
die gegen Deutschland eingesetzt werden sollten,
konnte Karl Ritscher dies nicht mehr mit seiner Heimatliebe vereinbaren.
Er beschloss, sein Studium auf ein neutraleres Gebiet zu verlegen und kam so zum
landwirtschaftlichen Ingenieurswesen. Dies wiederum finanzierte er mit Jobs bei den Ford-Werken
in Detroit und bei "The Cleveland Tractor Company", bekannt durch die Marke Cletrac.
Durch diese Tätigkeiten erhielt er umfangreiches Wissen und Erfahrungen, wie die Amerikaner ihre
Landmaschinen konstruierten und produzierten.

Als sein Vater 1918 starb, durfte er wegen des anhaltenden Krieges immer noch nicht ausreisen,
und kam so erst 1919 zurück nach Deutschland.
Bis dahin hatten seine Brüder Arnold und Walter die Firma des Vaters alleine weiter geführt.
Sofort als er zurück war fing er an, eine eigene Trecker-Produktion aufzubauen.
Er stellte einen früheren Studienkameraden als Konstrukteur ein und konnte so 1920 ein erstes
Versuchskettenfahrzeug (Panther) auf der Werft fertigstellen.
Die zweite verbesserte Ausführung mit dem Spitznamen "Die graue Laus" wurde dann 1921 an einen
Bauern in Appel Kr. Harburg ausgeliefert.
In diesem Jahr wurde dann auch die Firma des Vaters aufgeteilt.
Arnold bekam nur seinen Pflichtteil, da er sich mit seiner Stiefmutter zerstritten hatte und gründete
in Hamburg eine eigene Firma, die es heute noch gibt. Karl übernahm die neue Abteilung
Moorburger Trecker Werke. Walter und Georg führten die Werft und den Abwrackbetrieb
gemeinsam weiter bis die beiden letzten Geschwister, Herta und Friedrich Wilhelm, volljährig wurden.
Zur endgültigen Aufteilung kam es dann 1928. Karl führte weiter die Abteilung MTW,
Walter übernahm die Abteilungen Abwrackbetrieb, Schiffshandel und Schutenvermietung
sowie den Schrottplatz in Harburg. Georg übernahm den Werftbetrieb in Moorburg.
Die Geschäftsanteile von Herta und Friedrich Wilhelm blieben als unkündbare Darlehen
in den neu eingetragenen Firmen Karl Ritscher und Walter Ritscher.
Die Jahre der Weltwirtschaftskrise überlebten die Moorburger Trecker Werke aufgrund von
Rüstungsaufträgen aus Berlin relativ gut. Neben den Kettenschleppern und Anbauketten wurden jetzt
auch Gleisketten für verschiedene Halbkettenfahrzeuge der Wehrmacht produziert.

Nachdem 1936 das erste Dreirad als Versuchsfahrzeug fertiggestellt wurde, konnten 1937 die ersten
Dreiräder verkauft werden.

In der Vorkriegszeit wurden auch erste Grabenreiniger gebaut sowie ein Prototyp
eines Vierradschleppers mit Holzvergasermotor.
Als dann die Nachfrage nach Gleisketten aufgrund des Krieges stieg,
konstruierten die MTW einen Automaten zur Kettenherstellung.
Da die Produktionsfläche in Moorburg bald nicht mehr ausreichte, erweiterte man den Betrieb
zunächst nach Hamburg-Harburg und 1942 weiter nach Lüneburg.
Als die Fliegerangriffe auf Hamburg und Moorburg 1943 zunahmen, suchte man nach einem
weiteren Ort, um die Produktion dorthin zu verlagern.
In Sprötze, einem Dorf in der Nähe von Buchholz in der Nordheide, wurde man fündig
und errichtete dort einige Maschinenhallen. Bis zum Ende des Krieges wurde dann immer mehr der Produktion
nach Sprötze verlagert.

Nach Beendigung des Krieges diente das Werk in Sprötze erst einmal einer
Werkstattkompanie der britischen Armee. In den übrigen Werken durfte zudem nicht mehr
gearbeitet werden, da die Moorburger Trecker Werke als Rüstungsbetrieb eingestuft worden waren.
Aufgrund der Kriegsschäden wäre es aber auch gar nicht möglich gewesen.
Am 10.06.1945 erteilten die Engländer jedoch schon wieder eine Genehmigung, in eingeschränktem
Maß zu produzieren.

Im Januar 1947 wurde das Werk in Sprötze dann doch fast komplett nach Russland deportiert.
Danach ging es nur sehr langsam weiter, die übrigen Beschäftigten setzten alles daran, um den
Betrieb wieder aufzubauen. Im Juli 1948 konnten dann die ersten Grabenreiniger wieder ihre Arbeit aufnehmen
und im Oktober wurden dann auch wieder Dreiräder produziert.
Neben dem Werk im Sprötze gab es nur noch das Gelände in Moorburg,
wo fünf Mann noch in der Härterei beschäftigt waren.
Um wieder Arbeit zu haben bot man nach dem Krieg auch an, die noch bei den Bauern vorhandenen
Dreiräder in Vierräder umzubauen. Das hatte man auch vor dem Krieg schon angeboten,
es handelte sich hierbei um Dreiräder, die statt eines Rades nun eine komplette Achse hatten.
Die Lenkung ging nach wie vor über die Haube nach vorne. Weiterhin fertigte man auch Gleitschutzketten,
für die Dreiräder und Obstleitern sowie Anbauraupen für normale Trecker.

Parallel wurde eine komplett neue Schlepperreihe von 15 - 40PS konstruiert,
wobei auch der Geräteträger namens "Multitrak" (bzw. ab1955 "Multitrac") entstand.
Ein besonderes Augenmerk verlieh Karl Ritscher weiterhin den Grabenreinigungsgeräten.
So entstanden nach und nach verschiedene Modelle zum Anbauen sowie komplette Selbstfahrer.

Eine Besonderheit stellte der sogenannte "Schlick-Rutscher" da. Der Grabenreiniger vom Typ York,
war ein schwimmfähiges Gerät, welches auf zwei Pontons aufbaut. Zwischen den Pontons
kann die Förderschnecke heruntergelassen werden, um so den Graben zu reinigen.
Im Graben zieht sich die Maschine mittels einer Hand- oder Hydraulikwinde weiter
oder sie wird von einem anderen Schlepper gezogen. Für den
Überlandtransport gab es ein spezielles Fahrwerk, das seitlich an die Maschine angebaut wird.

Karl Ritscher hat recht früh das Nachlassen des Schlepperbooms erkannt und entsprechend gehandelt.
Wo andere Betriebe mit Zusammenschlüssen versuchten sich über Wasser zu halten,
ergriff er die Chance und verkaufte seinen Betrieb 1961 an die "Berliner Maschinenbau AG",
die fortan Drehbänke, Setz- und Textilmaschinen in Sprötze baute.
Bis 1963 sollen noch einige Multitrac's und sogar bis 1970 noch einige Grabenreiniger
des Typs York entstanden sein.

Karl Ritscher starb am 18. Juni 1970.


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